29.09.2025
Mit eindringlichen Worten erinnerte unsere Kultusvorständin Dwora Stein in ihrer Rede zur Ausstellung „Schaltstelle des Terrors“ an die Verantwortung, die Vergangenheit sichtbar zu halten. Die Ausstellung in der Arbeiterkammer Wien rückt die Biografien von NS-Täter:innen in den Mittelpunkt – ein starkes Signal für eine Erinnerungskultur, die nicht nur Opfer, sondern auch Täter benennt:
Dieses Haus war für mich viele Jahre berufliche und politische Heimat. Ich bin hier unzählige Male ein- und ausgegangen, und mir war immer bewusst, an welchem Ort dieses Haus steht – an dem Ort, an dem im Palais Rothschild die tödliche Bürokratie der Nationalsozialisten ihren Ausgang genommen hat und zur Vollendung geführt wurde – von der zynisch als „Auswanderung“ bezeichneten Enteignung und Vertreibung der Wiener Jüdinnen und Juden bis zur Deportation und Vernichtung.
Die Arbeiterkammer, die seit 1960 in diesem Haus als politische Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirkt und gemeinsam mit dem ÖGB und den Gewerkschaften ein unverzichtbarer Pfeiler des demokratischen Österreich ist, hat antifaschistisches Engagement und Erinnerungsarbeit immer ernst genommen.
Ein deutlich sichtbares Zeichen dafür, an welchem Ort sie sich befindet, hat gefehlt.
Das ist ab heute anders – die Bedeutung der Dauerausstellung, die wir heute eröffnen, kann gar nicht hoch genug geschätzt werden.
Warum sage ich das?
Es gibt in Wien mehrere Orte, die an jüdisches Leid erinnern:
Alle diese Mahnmale erinnern an die Opfer – die Täter werden ausgespart.
Die Videoinstallation von Ruth Beckermann neben der Figur des straßenwaschenden Juden, in der zu sehen war, wie sich der Mob an der Erniedrigung ergötzt, wurde nach einiger Zeit entfernt – weit und breit keine Täter, nur Opfer.
Ab heute gibt es ein Haus, in dem Täter benannt und sichtbar gemacht werden und das die Schuld am Leid in den Fokus rückt – und dieses Haus ist die Arbeiterkammer am Grundstück des ehemaligen Palais Rothschild – einem Tatort des Nationalsozialismus.
Und es gibt einen zweiten Grund, warum diese Ausstellung gerade jetzt so wichtig ist:
Die Welt ist für viele Menschen nach dem 7. Oktober 2023 eine andere geworden. Der Überfall der Hamas auf Israel hat das Leben vieler auf unfassbar grausame Weise ausgelöscht und das Leben vieler, die überlebt haben, zerstört.
Juden finden sich heute allerdings nicht mehr mit der Opferrolle ab – sie setzen sich zur Wehr. Dieser Krieg gegen den Terror dauert allerdings schon zu lange, und er erzeugt neues unermessliches Leid – in Gaza und in Israel. Die Regierung Netanjahu setzt sich durch ihr Handeln immer wieder ins Unrecht und desavouiert damit Israels Recht auf Selbstverteidigung.
Die Folgen sind fatal. Immer mehr Länder kündigen nicht nur die Solidarität mit der israelischen Regierung auf, sondern auch mit jenen, die in Israel und in vielen anderen Ländern gegen diese Regierung protestieren und sich von ihrem Handeln distanzieren, ohne sich von Israel zu distanzieren. Solidarisches Handeln würde bedeuten, diese Proteste zu unterstützen und nicht alle Jüdinnen und Juden unter Pauschalverdacht zu stellen und sie zu Schuldigen zu erklären. Künstlerinnen und Künstler auszuladen, weil sie Juden sind, ist kein heroischer Akt, sondern altbekannter Antisemitismus in neuem Gewand.
Jeden Juden, jede Jüdin, egal wo er lebt und welche Haltung er hat, für das Handeln der israelischen Regierung verantwortlich zu machen, ist Antisemitismus. Und was dabei in Vergessenheit gerät, ist, dass dieser Krieg durch eine Terrororganisation ausgelöst wurde, die das Leid der eigenen Bevölkerung bewusst in Kauf nimmt und deren Ziel es war und ist, Israel zu vernichten.
Umso wichtiger ist es, dass die Arbeiterkammer gerade jetzt mit dieser Dauerausstellung ein starkes und sichtbares Zeichen setzt.
Es ist in einer Zeit, in der jüdische Menschen wieder in Bedrängnis sind, ein Zeichen der Solidarität, die wir so schmerzlich vermissen.
Und es ist ein starkes Signal gegenüber all jenen, die meinen, dass endlich Schluss sein muss mit dem Erinnern und Gedenken.
Nein, es muss nicht, es darf nicht Schluss sein, weil die schreckliche Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft nachwirkt und heute wieder salonfähig ist, was lange verpönt war.
Ich wünsche der Ausstellung die Aufmerksamkeit, die sie verdient, und schließe mit Theodor W. Adorno:
Was einmal wirklich war, bleibt ewig möglich.